THEATER



Ein Stück
Mit einem Nachwort von Bernd Volkert
TB, 90 Seiten
ISBN 978-3-944503-01-1
2013
11 €

Online bei Lehmanns


 Auch wenn Thomas Maul seine Figuren auf groteske Weise vielleicht stärker interagieren lässt als Beckett, bei dem sie eher beziehungslos nebeneinander existieren, verbleibt soweit doch alles grob in einer Tradition, zu der neben Ionesco oder Bernhard vor allem eben Beckett gehört. Wie bei diesen Vertretern des absurden Theaters erzeugt zwar Mauls Sinn für Verschrobenes und Skurriles immer wieder auch komische Momente, die den Zuschauer oder Leser auf Distanz zum Geschehen halten – allerdings ohne ihnen das behagliche Gefühl zuzugestehen, mit dem Dargestellten nichts zu tun zu haben.
Im Unterschied allerdings zu Beckett geht Maul letztlich noch radikaler vor: Seine Figuren warten nicht einmal. Und von einem ominösen Godot, der etwas Neues bringen könnte, haben sie noch nie etwas gehört. 

Es gibt nichts in ihrem Bewusstsein, was über den Zustand, Stillstand, in dem sie sich befinden, hinauswiese. Sie kennen keine Transzendenz, nicht einmal eine negative: Bemühte man das Bild des Fegefeuers, um die Welt zu beschreiben, in der sie sind, fühlte man sich gedrängt, es gleich wieder zu verwerfen, denn sie spürten nicht einmal die Flammen, die zu ihrer Sühne loderten. Sie kennen kein Leid (und auch kein Mitleid, sei ergänzt). Heißt es bei Dante noch: „ ... nichts andres drückt uns, als dass wir hoffnungslos in Sehnsucht leben“, könnten die Menschen im Windspiel höchstens sagen: „Nichts drückt uns, Hoffnung nicht und auch nicht Sehnsucht.“ Sie sind verdammt in alle Gegenwart.

(aus dem Nachwort von Bernd Volkert)


Aufführungs- und Senderechte: JUSSENHOVEN & FISCHER, Köln

Ein Stück
Mit einem Nachwort von Bernd Volkert
TB, 86 Seiten
ISBN 978-3-944503-02-8
2013
11,00 €

Online bei Lehmanns


Vordergründig und formal ein Lustspiel, das – sieht man von den grotesken Inhalten ab – in Sachen Tempo, Leichtigkeit und Schlagfertigkeit den Vergleich mit klassischem Screwball nicht zu scheuen braucht, kommt doch im Verlauf des komischen Geschehens wie bei Kleists Zerbrochenem Krug immer mehr zu Tage, was nicht wirklich zum Lachen ist. Am Ende wird zwar Hiob ben Israel, die Hauptfigur, nicht nur mit dem Leben davongekommen, sondern plötzlich auch reich geworden sein. Dafür allerdings hat er seine Frau verloren, die ihm und dem Leben unter Menschen offenbar innerlich schon lange entsagt hatte und ja auch aus nekrophiler Liebe zur Mehrfachmörderin wird. Den Rest der Personage trifft es härter noch: fast alle – wie bei Titus Andronicus – tot zum Schluss, vergiftet, dabei nur um die Erkenntnis reicher sterbend, auch noch von den engsten Angetrauten betrogen worden zu sein. Ein Happy End sieht anders aus. The world is a lonely place. Und: Jeder ist sich selbst der Nächste – aber möchte man wirklich so jemandem nahe sein? Weiter als über den nächsten Vorteil hinaus können die Figuren in Sarahs Rache nicht denken und handeln.

Tun sie‘s doch oder verspüren sie wenigstens den Drang dazu, reicht es nicht zu mehr als Sarahs Flucht – über Leichen – in eine ersponnene hoch privatistische und egoistische Fantasie.
Die Welt von Sarahs Rache, auch wenn das wohl ein Zufall ist, gleicht sehr derjenigen, die von den Coen-Brüdern in ihrem Film A Serious Man gezeichnet worden ist und noch mehr der Atmosphäre, die in den Kurzgeschichten von Ethan Coen erzeugt wird, und die damals schon von einer traurigen Nostalgie durchzogen waren. Unwillkürlich hat es Thomas Maul vielleicht also in die Sparte 'jüdischer Humor des ausgehenden 20. Jahrhunderts' verschlagen, womit ihn jedenfalls auch die Unterhaltsamkeit und Kurzweil von Sarahs Rache verbindet – bei aller sarkastischen, gar pessimistischen Grundlage des Stücks: Vom Ende her erweist sich alles Handeln (im Guten wie im Schlechten) als vergeblich (Hiob/Sarah) und auch der Trotz gegen den Tod – Evas stetiges Wiedererwachen – kommt mangels Liebe (in dem Fall derjenigen Adams) zum endgültigen Erliegen.

(aus dem Nachwort von Bernd Volkert)

Aufführungs- und Senderechte: JUSSENHOVEN & FISCHER, Köln


Menschenfeinde (2008)
Molière-Variation
Uraufführung: 26.11.2008 
Schauspiel Neukölln (Berlin); Regie: Thomas Maul
 
Berliner Zeitung: "Als zweites Opfer seiner Klassikerreihe hat sich das Schauspiel Neukölln Molières fast 350 Jahre alte Komödie "Der Menschenfeind" ausgewählt. Wie zuvor schon Shakespeares "Hamlet", wurde dem Klassiker mit allerlei feinem Werkzeug zuleibe gerückt und von Autor und Regisseur Thomas Maul kraftvoll in die Gegenwart gehievt. Dabei bleibt die Grundkonstellation natürlich gleich: Umgeben von angepassten, verlogenen oder einfach dummen und eingebildeten Zeitgenossen, behauptet der Idealist und "Menschenfeind" Alceste, ohne Heuchelei leben zu können und eckt mit seinem kompromisslosen Verhalten überall an. Bei Molière setzt sich das Personal des Stücks aus schleimigen Höflingen zusammen, die auf gute Manieren achten und deshalb nichts mit Alcestes rücksichtsloser Ehrlichkeit anfangen können, weil diese gegen die guten Sitten verstößt. In der Fassung von Thomas Maul jedoch sind die guten oder schlechten Sitten schon lange nicht mehr Gegenstand von Aufregung, sondern rettungslos in der Vergangenheit versunken. Hier geht es nicht mehr um Umgangsformen mit Anstand und Moral, stattdessen zählen allein die Siege im allgemeinen Krieg um Aufmerksamkeit. Die Kampflinien verlaufen nicht mehr entlang der Klassengrenzen zwischen verlogenen Aristokraten und aufstrebender Bourgeoisie, sondern verbleiben innerhalb eines hegemonialen kulturellen Lumpenproletariats, das sich seiner Existenz nur in Form gepixelter Wiedergänger unzähliger Bildschirmbilder versichern kann. So entpuppt sich die vermeintliche Authentizität Alcestes im Zeitalter der öffentlichen Selbstentblößung via Fernseher und Internet auch nur als einer von vielen Wegen, die eigene Sucht nach öffentlicher Beachtung zu befriedigen."

Tod am Meer
(seit 2011 in Arbeit)