»Der WG-Krieg« im Acud persifliert Experimantaltheater
Von Anouk Meyer für Neues Deutschland, 10.09.2011
WGs, jedenfalls studentische Wohngemeinschaften, sind meist die Hölle. Irgendwann, das ist eine Art Grundregel, sind alle zerstritten, und fast immer kulminiert der Streit in Uneinigkeiten entweder über Sauberkeit bzw. den Mangel daran oder um Lautstärke. Passenderweise beginnt das absurde Stück »Der WG-Krieg« im Acud-Theater denn auch mit einem typischen Satz: »Die Küche ist wieder nicht sauber gemacht worden!«
Diese Kritik kommt, auch das recht realistisch, von Nadine, der einzigen Frau in dieser Vierer-WG. Nadine lebt in ständiger Furcht vor einer Kakerlaken-Invasion, ist aber zugleich fasziniert von den quasi unzerstörbaren Viechern. Ebenso merkwürdig sind ihre drei Mitbewohner, die Titanic-Autor Markus Riexinger mit trockenem Humor vorführt. Schlaglichtartig und mit viel Gespür für Komik wird hier in kurzen Szenen das Zusammenleben der eigenartigen Gesellen beleuchtet. Da ist der spießige Brillenträger Peter, korrekt mit Hemd und Pullunder bekleidet, der Nadine so gerne die Zehen krault; da ist der manische Jochen, gespielt von Autor Riexinger selbst, der entweder vorm Computer hockt und onaniert oder Fassbinder-Filme im Kino guckt. Und da ist Kunigunde, ein dicker Schwuler, der Tänzerin und Opernsängerin werden will und mit seinen Proben allen den letzten Nerv raubt.
Das Stück springt in der Zeit hin und her, mal zwei Jahre zurück, dann 16 Jahre vorwärts – doch eigentlich sind diese Sprünge egal, denn eine Handlungsabfolge existiert ohnehin nicht. Eher wirkt die Inszenierung (Regie: Edwin Basel und Thomas Maul) wie eine Veralberung all der ernst gemeinten Experimentalstücke, die sich in der Off-Theaterszene so tummeln. Unzählige kurze, oft nur Sekunden dauernde Szenen reihen sich aneinander, getrennt durch Momente absoluter Dunkelheit auf der Bühne.
Das geht dann so: Licht an, Kunigunde steht auf der Bühne. Öffnet den Mund, schließt ihn wieder, überlegt, gibt dann auf: »Ich hab’s vergessen.« Licht aus. Licht an, Nadine erzählt von ihrem Abi-Scherz. »Mein gesamter Jahrgang ließ sich zwecks Abistreichvorbereitung heimlich über Nacht im Schulgebäude einschließen. Wären wir von einem Brand überrascht worden, hätte man am nächsten Tag unsere verkohlten Leichen gefunden.« Jochen: »Wäre ein eigenwilliger Streich gewesen.« Licht aus, nächste Szene.
Zwar ermüdet diese Abfolge auf Dauer, doch sind die Pointen gut gesetzt und oft von provokantem Humor, zudem dauert das Stück auch nur 50 Minuten. Dann verbeugen sich die Darsteller kurz und verschwinden hinterm Vorhang. Eine Tür knallt, das war’s. Ein eigenwilliges Stück, nicht ohne Charme, körperlich und sprachlich präzise gespielt – und doch irgendwie unfertig. Doch das ist sicherlich gewollt: Schließlich will Riexinger Verwirrung stiften und agiert immer wieder hart am Rand zum Nonsens, wie schon der Name seines Ensembles »Wir sind nicht John Lennon« zeigt. Und dann ist er auch noch Ausrichter des »Wettbewerbs für sinnentleertes Rezitieren«. Wenn das nicht nach Neo-Dadaismus klingt, was dann?
22.-24.9., 20.30 Uhr, Acud-Theater, Veteranenstr. 21, Mitte; Tel. (030) 44 35 94 97