Gender Mainstreaming, islamisches Patriarchat und die antisexistische Linke
Der
Feminismus hat gesiegt. Die CSU ruft ein »Jahr der Frau 2011« aus und
kritisiert: »Macht und Geld sind fast nirgends so männlich wie in Deutschland
und nirgends werden weibliche Lebensentwürfe so entwertet wie hierzulande! […]
Nur die Frauenquote sorgt dafür, dass die in den Machtetagen herrschende
ungeschriebene Männerquote endlich aufgelöst wird.«[1] Die Bundesregierung verkündete jüngst, sie verfolge die
Strategie des »Gender Mainstreaming […], bei allen gesellschaftlichen Vorhaben
die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern
von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen«[2]. Und um die Wertschöpfung von Arbeit in Deutschland zu
erhöhen, fordert die Bundesagentur für Arbeit, »Erwerbspartizipation und
Arbeitsvolumen von Frauen zu erhöhen«[3]. Handelt es sich dabei nur um durchsichtige Manöver oder
konnten sich wesentliche Positionen der feministischen Bewegung tatsächlich bis
in die Wählerschaft der CSU hinein durchsetzen?
Totale
Vergleichung
Die Realität
ist ambivalent. Die im Durchschnitt inzwischen sogar besser ausgebildeten
Frauen beziehen geringere Gehälter, und wer eine gute Ausbildung hat, hat
bekanntlich noch lange keinen Job, der einen aus der Umklammerung durch Familie
und Ehemann befreien könnte. Dieses von Feministen beklagte Ungleichgewicht ist
aber nicht mehr, wie noch im 19. Jahrhundert, einer unvollendeten
Kapitalisierung geschuldet, sondern umgekehrt der vollständig durchgesetzten
bürgerlichen Gleichheit selbst. Die totale Vergleichung durch das Kapital, der
Männer wie Frauen ausgesetzt sind, zwingt sie in ein brutales
Konkurrenzverhältnis, in dem jeder Einzelne nach Garantien sucht, um seinem
Nachbarn vorgezogen zu werden. Das Geschlecht ist darüber zum Ticket geworden,
es konstituiert eine Opfergemeinschaft unter anderen. Die Klage, es müssten
jetzt doch endlich einmal Frauenquoten auch in den Chefetagen eingeführt
werden, beruht auf einem staatsfetischistischen Verständnis von Kapitalismus:
der Staat soll die Arbeit organisieren und die Kapitalisten an die Kandare
nehmen. Die einen sagen: Deutschland den Deutschen, die anderen: Deutschland
den Frauen, und die dritten: Deutschland den Ausländern. Der Typus des sich
ständig betrogen wähnenden Ossis ist längst wieder ein gesamtdeutsches,
herkunfts- wie geschlechterübergreifendes Phänomen geworden.
Das Kapital
indes interessiert sich für die Befindlichkeiten der Menschen wenig. Es ist
pragmatisch und nimmt, was es kriegen kann. Wenn Frauen aus historischen und
geschlechtsspezifischen Gründen billiger zu haben sind, schlägt der
durchschnittliche Kapitalist dieses Angebot nicht aus. Auch wenn es darum geht,
den innerbetrieblichen Konkurrenzkampf zu steigern, der, wenn er nicht zu
mörderisch wird, durchaus zu Höchstleitungen anspornt, sind karrierebewusste Frauen
immer willkommen. Es mag bei dem einen oder anderen Unternehmer noch emotionale
Vorbehalte gegen arbeitende Frauen geben, eine Zukunft hat diese irrationale,
ergo: unproduktive Einstellung allerdings nicht.
Die
Kopftuchfrau
Nun hat aber
eine neue Akteurin die Bühne betreten: die verschleierte Frau. Das archaisch
anmutende Gefängnis, das sie um den Kopf trägt, verwandelt das schönste Gesicht
in eine Visage. Wo nichtmuslimische Frauen ihre Stärken und Fähigkeiten stets
ins Licht zu rücken bestrebt sind, da versucht die Muslima, mit der Betonung
von Demut und Unterwerfung aufzutrumpfen – also damit, kein
gleichberechtigtes Warensubjekt zu sein. Eine solche Akteurin verunsichert die
Gesellschaft, stellt sie doch die Grundlage des bürgerlichen Glücksversprechens
in Frage: Nicht das autonome Individuum, das sich erfolgreich auf dem Markt
bewährt, soll das Ideal sein, sondern der Einzelne, der vollends in seinem für
ihn vorgesehenen Platz in Familie und Gemeinschaft aufgeht. Die
Kopftuchträgerin ist das sichtbarste Symbol dieser Selbstpreisgabe des
bürgerlichen Subjekts.
Für das
Bürgertum, das in all seiner Zukunftsangst durchaus vom islamischen Modell
fasziniert ist, geht es darum, dieser Versuchung zu widerstehen. Deshalb macht
es sich daran, auch die Kopftuchfrau nach den Kriterien der Verwertbarkeit zu
beurteilen, in der Hoffnung, aus den islamischen Familienverhältnissen das
Nützliche herauszuziehen. Ob das gelingt oder ob deren Potential, wie Sarrazin
meint, überschätzt wird, ist eine von jenen langweiligen und unwichtigen
Fragen, welche immer wieder darauf hinauslaufen, sich dem Kapitalstandpunkt
anzubiedern. Entscheidender ist, dass im Zuge dieser Debatte permanent
weggeredet wird, was doch jeder sehen kann: dass die Frau unter dem Kopftuch
das traute Heim nur verlassen hat, um zu besorgen, was auf den Herd kommt. Es
wird abends keine geilen Partys geben, am Wochenende keinen Besuch im
Fußballstadion, die Spätvorstellung im Kino ist gestrichen, und die Affäre mit
zwei Männern, zwischen denen sich zu entscheiden schwer fällt, findet nicht
statt. Kurz: Wer noch nicht ganz zum Zombie verkommen ist, wird das Kopftuch
als Bedrohung erkennen. Es ist das Symbol der geknechteten Frau. Der Sex mit
ihr ist wahrscheinlich so spannend wie die Tagesschau. Und der mit ihm dementsprechend
ekelhaft; unsinnliches, rohes Hinundhergeschiebe.
Die meisten
Menschen wissen sehr wohl um die nicht zu trennende Symbiose von Islam und
Frauenunterdrückung. Gerade Feministinnen wie Alice Schwarzer, die sich, trotz
vieler Zugeständnisse, für nicht verhandelbare Inhalte eingesetzt haben,
wissen, dass es mit dem Kopftuch keine Gleichberechtigung geben wird. Zu sehr
verkörpern die geknechteten Frauen das Schreckbild, gegen das Schwarzer auch
dann noch gekämpft hat, als es bezüglich nichtmuslimischer Frauen längst zur
Chimäre geworden war.
Die
Krise der antisexistischen Linken
Die
antisexistische Linke aber hat, anders als der Feminismus, ein nicht eben
kleines Problem: Weil sie sich als radikal kapitalismuskritisch versteht, kann
sie sich mit so reformistischen Fragen wie der nach Gleichberechtigung nicht
aufhalten. Ihr geht es um mehr, und je ohnmächtiger sie angesichts der
schrankenlosen Herrschaft des Kapitals wird, desto irrer wird die
antisexistische Programmatik, mit der die Ohnmacht übertönt wird. Daher
sprossen postmoderne Konzepte wie das des entsexualisierten Cyborgs ins Kraut.
In dem Maße, wie sich die radikale Linke von profanen Forderungen der
Gleichberechtigung und Unabhängigkeit entfernt, flieht sie in höhere Sphären
und versucht, einen »Schutzraum« zu errichten, in dem alles gut wird. Die
Marburger Gruppe »Lisa 2«, die im Juli eine Veranstaltung von Thomas Maul
überfiel, lässt beispielsweise verlautbaren: »Wir haben Wut auf den Umstand,
dass es Menschen gibt, die sich das Recht rausnehmen unsere Körper zu
kommentieren – die unsere Grenzen anhand einer Idee von dem, was ›Normal‹ ist,
verletzen. […] Wir wollen einen ›geschützten‹ Raum schaffen, indem wir üben
können, wie sich bestimmte Situationen anfühlen – herauszufinden, wie Agierende
empfinden könnten und wie dabei grenzüberschreitende Dynamiken mit
selbstentwickelten Taktiken gebrochen werden können. Durch Rollenspiel und
Reflexion kann hiermit ein Mehr an Handlungsmöglichkeiten entstehen.«[4]
Wer denkt,
es ginge der Gruppe darum, dass es für kollektive Kritik eines Raumes bedarf,
in welchem diese entwickelt werden kann, der irrt. Nicht um die
»Öffentlichkeit«, welche sich in Vorträgen, Talkshows, Feuilletons oder
Ringvorlesungen formiert und auf die Habermas und Luhmann so großen Wert gelegt
haben, ist es ihr zu tun. Sie will »anfühlen« und »empfinden«, damit
»Handlungsmöglichkeiten entstehen«. Damit aber wird Kritik unmöglich und
driftet ins Esoterische ab. Durch Abspaltung von der Welt wird der Schutzraum
zum Gefängnis und es kommt, ähnlich wie in der bürgerlichen Ehe, zu
fürchterlichen Ritualen, deren Inhalt Demutsgesten und Psychoterror sind. Aus
der Raumfahrt und aus Expeditionen in die Antarktis kennt man das third-quarter
phenomenon, das die Probleme zusammenfasst, die entstehen, wenn Menschen
auf zu engem Raum eingesperrt sind. Nach der Hälfte der Zeit, die sie zusammen
verbringen müssen, also im dritten Viertel, setzt eine Verschlechterung der
Stimmung ein. Es entstehen Frust und Verbitterung, die sich erst nach innen,
dann gegen einen imaginierten äußeren Feind richten. Die Tatsache, dass sich
solche Verhältnisse permanent in den verschiedenen linken Gruppen vorfinden
lassen, lässt darauf schließen, wie stark die Innen-Außen-Unterscheidung
getroffen wird. Die kapitalistischen Verhältnisse werden nicht mehr ertragen,
sondern Grenzen gezogen und ein »Schutzraum« errichtet. Glücklicherweise haben
solche Gruppen keine Rechtsform, so dass die Konsequenzen für den einzelnen
verhältnismäßig milde sind, sofern der Ausstieg gelingt.
Mit dem
Kampf für das autonome Individuum hat die Linke allerdings nur noch wenig zu
tun, vielmehr gefällt sie sich darin, den zahlreichen selbst ernannten
Opfergruppen, also fiktionalen Schicksalsgemeinschaften, zu ihrem Recht zu
verhelfen. Nur so kann man es erklären, dass sie dem Kopftuch nichts
entgegenzusetzen hat. Wo sie sonst wenig Verständnis für »die Herrschenden« und
deren Kultur hat, zeigt sie sich empfänglich für die Eigentümlichkeiten des
islamischen Racketwesens, welches sie ständig »kritisch« und vor dem jeweiligen
Migrationshintergrund beleuchten möchte. Den »Schutzraum«, den die Antisexisten
suchen, erkennen sie sogar in der islamischen Großfamilie, in der die Frauen
vor den lüsternen Blicken der Männer »geschützt« werden, wieder. Ihr Idol
Judith Butler meint, dass die Burka »symbolisiert, dass eine Frau bescheiden
ist und dass sie ihrer Familie verbunden ist, aber auch, dass sie stolz auf
ihre Familie und Gemeinschaft ist. Sie symbolisiert Modi der Zugehörigkeit
innerhalb eines sozialen Netzwerks. Die Burka zu verlieren bedeutet mithin
auch, einen gewissen Verlust dieser Verwandtschaftsbande zu erleiden, den man
nicht unterschätzen sollte. Der Verlust der Burka kann eine Erfahrung von
Entfremdung und Zwangsverwestlichung mit sich bringen, die Spuren hinterlassen
wird. Wir sollten keineswegs davon ausgehen, dass Verwestlichung immer eine
gute Sache ist. Sehr oft setzt sie wichtige kulturelle Praktiken außer Kraft,
die kennen zu lernen es uns an Geduld fehlt.«[5]
Kritik des
islamischen Patriarchats
Spätestens
jetzt wäre eine Kritik am Begriff des Schutzraumes fällig. Denn in der
islamischen Großfamilie wird die Tochter am Esstisch dem Vater nichts
entgegenhalten können, weil sie nichts zu sagen hat. Und jeder Mensch, der sich
auch nur ein Quäntchen Common Sense bewahrt hat, wird ahnen, dass auf jeden
Ehrenmord tausend Fälle kommen, in denen es nicht nötig oder möglich war, bis
zum äußersten zu gehen. Die Frauenhäuser sind vorwiegend von muslimischen
Frauen bewohnt, es herrschen unhaltbare Zustände. Aber die Linke will und kann
nicht zurück. Womöglich ist es die immer schon starke Prägung durch den
Protestantismus, welche die deutsche Linke dazu führt, die permanente Gewalt in
islamischen Familien klein zu reden, mit perversen Vergleichen (»Ehekrach«) zu
relativieren und anstelle dessen auf Innerlichkeit zu schielen. So zaubert sie
das vermeintlich stärkste Argument für das Kopftuch hervor: Frauen unter dem
Kopftuch fühlen sich womöglich weniger unterdrückt als diejenigen,
welche mit ihrem Körper immer in Konkurrenz zu anderen stehen. Trotz der
offenkundigen Entmündigung und Unterdrückung protestieren antisexistische Linke
nicht gegen das islamische Patriarchat, sie verdrängen dessen Existenz. Mit
Neid und Hass reagieren sie daher auf diejenigen, die es wagen, das
Offenkundige auszusprechen. Es steht diesen nicht zu, ein Urteil abzugeben,
welches nicht im Konsens zustande kam. Mehr noch, es kann ein solches Urteil
nicht geben. Es muss sich, von außen kommend, um eines jener Urteile handeln,
das von den Agenten des Kapitalismus, Rassismus und Nationalismus kommt. Es
darf daher nicht diskutiert oder widerlegt, sondern nur entfernt werden. Die
Aggression, mit der sie zuschlagen, ist ein Indiz für die Wahrheit, die sie
nicht ertragen. Aus genau diesem Grund haben antisexistische Schläger Veranstaltungen
mit Thomas Maul in Berlin und Marburg angegriffen und ausgerechnet ihn, der
sich seit Jahren publizistisch gegen die Persistenz des islamischen
Patriarchats engagiert, des »Antifeminismus« geziehen.[6]
Um diesem
Treiben etwas entgegen zu setzen, ist jeder, der diese Zeilen liest und die
Wirklichkeit noch ertragen kann, von uns eingeladen und aufgerufen, zu einer
Veranstaltung mit Thomas Maul zu kommen, auf der er versuchen wird, die oben
aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Alle, die nur ihren Hass an uns abarbeiten
wollen, fordern wir auf, sich stattdessen sinnvollen Aufgaben wie dem Abfassen
einer Seminararbeit oder dem Tierschutz zu widmen.
Der Vortrag
findet am Samstag, den 22. Oktober 2011 um 19 Uhr in der SexBox, Theater
Halle 7, auf dem Gelände der Kultfabrik statt. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr der
Eingang der Kultfabrik, Gräfinger Straße 6, am Ostbahnhof, Ausgang
Friedenstraße, um das Finden des Veranstaltungsortes zu erleichtern.
Vortrag
& Diskussion mit Thomas Maul (Berlin)
Der Eintritt
beträgt € 3.-, Spenden sind willkommen.
[3] Bundesagentur für Arbeit, Perspektive
2025: Fachkräfte für Deutschland, o.O., 2011, S. 14.
[5] Judith Butler, Krieg und Affekt,
Zürich – Berlin 2009, S. 86
[6] Dokumentiert auf: http://www.thomasmaul.de/2009/06/die-bockwurstparty-ist-vorbei.html
auf: http://monacoverein.wordpress.com/2011/09/08/veranstaltung-mit-thomas-maul/