Dass die Regierung eines demokratischen Staates noch vor jeder Überprüfung der Tatsachen und ohne Not für die Kolportagen antirassistischer Feinde der bürgerlichen Republik gegen die Erkenntnisse der eigenen Behörden Partei ergriff, sich also an der Verbreitung von Fake-News beteiligte, ist zwar schon für sich bemerkenswert. Da das Pogrom-Motiv aber nicht nur eine einfache Übertreibung darstellt, sondern nach zwei Seiten hin (Bevölkerung und Sicherheitsorgane) objektive Implikationen enthält, die nichts mit Wortklauberei zu tun haben, hat es zum einen zur Eskalation der Verhältnisse vor Ort beigetragen und zum anderen dafür gesorgt, dass das Handeln des Souveräns den Charakter eines die eigene Legitimationsgrundlage untergrabenden Staatsstreichversuchs annahm.
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Es liegt damit in der Logik der Sache, dass, wer an der Wirklichkeit des Chemnitzer Pogroms festhält, die den Pogrom bestreitenden Vertreter der Sicherheitsapparate als Nazis verunglimpfen muss. Als darum die Kanzlerin angesichts des wachsenden Widerstandes der besagten Staatsorgane nur noch die Wahl hatte, das eingegangene antifaschistische Bündnis aufzukündigen oder mit ihren linken Gesinnungsgenossen zur Beschimpfung der in den Sicherheitsbehörden Beschäftigten überzugehen, entschied sie sich in Kontinuität vortäuschender Weise für ersteres. Was machte es national wie international auch für einen Eindruck, wenn die Kanzlerin der Bundesrepublik ihre eigenen Behörden als tendenziell nationalsozialistisch diffamierte, wenn sich deren Rechtradikalisierung folglich ausgerechnet unter ihrer jahrelangen Ägide ereignet hätte? Am 3. September vollzogen Kanzleramt und Kanzlerin daher einen Kurswechsel unter der Maßgabe, dass niemand bemerken solle, dass der Souverän kurz davor gewesen war, zwecks Verschmelzung mit den zivilgesellschaftlichen Agenturen von Antirassismus, Flüchtlingshilfe und Islam-Appeasement seine eigenen Institutionen preiszugeben.
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Am Ende sieht es nicht nur so aus, als wäre Merkel mit Maaßen einen der prominentesten Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik aus den eigenen Reihen losgeworden, zu dem das Verhältnis schon immer angespannt gewesen war, wie die FAZ am 17.9. berichtet: „Die Willkommenskultur der Kanzlerin geht ihm gegen den Strich. Er denkt an die innere Sicherheit und daran, dass sich unter die vielen Menschen, die unkontrolliert ins Land kommen, auch Terroristen mischen können. Doch er dringt zur Kanzlerin nicht durch. Jeden Dienstag kommen die Präsidenten der Sicherheitsbehörden im Kanzleramt zusammen: Verfassungsschutz, Bundespolizei, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt. Merkel ist nach Angaben von Teilnehmern nie dabei, nicht einmal in der Ausnahmesituation vom Herbst 2015, nicht einmal, als Unionsabgeordnete sie ausdrücklich darum bitten, sich die Bedenken von Verfassungsschutz und Bundespolizei doch zumindest einmal anzuhören.“
Merkel selbst steht dabei sogar nicht einmal als treibende Kraft da, sondern als Getriebene, als eine, die, um die Koalition zusammenzuhalten, zwischen linken Gegnern und konservativen Verteidigern Maaßens vermitteln und einen Kompromiss finden musste.
Erosion oder Wiederkehr des Politischen
Einerseits scheint es absurd, dass Maaßen seinen Hut nehmen musste, obwohl er lediglich triviale Informationen zum Besten gab, für deren Ermittlung keinerlei geheimdienstliche Methoden von Nöten waren, und eine bemerkenswerte Zurückhaltung an den Tag legte. Im Unterschied zu den Polizeigewerkschaften, die ausdrücklich an mehr „Zurückhaltung“ von Politkern appellierten, beließ es Maaßen bei der Medienkritik, dass man hier auf eine Desinformationskampagne hereingefallen sei, was zwar auch zutrifft, aber eben ausspart, was ebenfalls offensichtlich und durchsichtig war, dass das Kanzleramt demselben Zweck der Ablenkung von der Messerattacke verpflichtet erst mitmachte und hinterher wahrheitswidrig leugnete, mitgemacht zu haben.
Andererseits ist diese Absurdität Ausdruck eines sich als solchen verschleiernden Aufstandes von Teilen des Souveräns (in Regierung wie Opposition) gegen die eigenen Staatsapparate, eine Konfrontation, vor deren offener Ausfechtung die Akteure im Moment der Zuspitzung aus Gründen der Staatsräson zurückschreckten. Soll heißen, dass Maaßens und Seehofers in der Sache unverständliches Einknicken nicht nur der Einsicht in zurzeit noch ungünstige Mehrheits- und Machtverhältnisse und damit der Rettung der eigenen Karriere geschuldet war, sondern auch einem staatsmännischen Desinteresse an der mittleren Staatskrise, die es bedeutet hätte, auszusprechen, dass sich die Kanzlerin zwecks Ehrenrettung einer Flüchtlings- und Grenzpolitik, deren Rechtskonformität inzwischen auch von renommierten Staatsrechtlern in Frage gestellt wird, mit den antirassistischen Feinden der Republik gegen die eigenen Sicherheitsbehörden verbündete.
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